– aus dem PROST Magazin vom April 2025 – Text: Peter Eder
In Kaffeehäusern klirren die Löffel in den Tassen, im Wirtshaus freut sich der Stammtisch aufs Prost und in den Sternebuden lösen sich die Zungen von den gerade noch geleckten Tellern, um sich langsam von lautmalerischen Ahs und Ohs zu lösen und geschmackvollen Gesprächen hinzugeben. Das wird jedoch im digitalen Zeitalter rar. Denn der Alltag wird von Chats, E-Mails, Facebook, Insta, TikTok, News, Posts, Promts… bestimmt. Dagegen ist die Gastronomie, die letzte Bastion gesunder Kommunikation, der Ort, an dem Menschen von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen, der Ort, an dem der Mensch das bekommt, was er braucht, um Mensch zu werden. Sogar 😉 die Wissenschaft bestätigt: Persönliche Interaktion ist entscheidend für soziales Miteinander und psychische Gesundheit.
SINNLICHES LEBENSELIXIER
Dass echte Begegnungen für Menschen lebenswichtig sind, belegen zahlreiche Studien. Eine der längsten Langzeituntersuchungen – die Harvard-Studie zur Erwachsenenentwicklung – fand heraus, dass gute zwischenmenschliche Beziehungen die wichtigste Zutat für ein glückliches, gesundes Leben sind. Digitale Kontakte allein reichen dafür nicht aus. Eine US-Studie zeigt, dass fehlende direkte Kontakte das Depressionsrisiko nahezu verdoppeln, während persönliche Begegnungen deutlich davor schützen. Telefonate oder Chats können diesen Effekt nicht ausgleichen. Ein Abend beim Heurigen oder ein Kaffeetratsch ist also mehr als nur Unterhaltung – er wirkt wie Balsam für die Seele. So bekommt das Wort „Fettnäpfchen“ eine völlig neue Bedeutung und „Honig ums Maul schmieren“ wird zur sozialen Kompetenz.
SOZIALER KITT AM DRITTEN ORT
Austausch von Neuigkeiten, Debatten über Politik, das Leben, die Liebe …, gemeinsames Lachen – die Tradition findet in Restaurants, Gasthäusern, Cafés und Beisln statt und muss erhalten bleiben. Soziologen sprechen hier von „Dritten Orten“: Orten jenseits von (1.) Zuhause und (2.) Arbeit, die vor allem der zwanglosen Kommunikation und Begegnung dienen. Die „dritten Orte“ bieten Raum für aktive soziale Kontakte und stärken menschlichen Zusammenhalt. Gerade die heimische Gastronomie bietet unzählige solcher Möglichkeiten. „Food & Beverage, gemeinschaftlich genossen, ist der Klebstoff der Gesellschaft“, sagt Trendforscher Pierre Nierhaus – das halte Menschen selbst in unsicheren Zeiten zusammen. „Menschen brauchen die Möglichkeiten der persönlichen Kontakte, und die Gastronomie ist die Lebensader“, ist Nierhaus überzeugt.
Doch diese Lebensader steht unter Druck. Seit Jahrzehnten schrumpft die Zahl der Wirtshäuser dramatisch: 1986 zählte man österreichweit rund 15.000 Gasthäuser, 2023 waren es nur noch etwa 5.600. Besonders am Land bedeutet ein geschlossenes Wirtshaus mehr als nur den Verlust einer Einkehrmöglichkeit – damit geht ein zentraler Treffpunkt der Dorfgemeinschaft verloren. Ursachen sind geänderte Freizeitgewohnheiten oder wirtschaftlicher Druck – seit der Pandemie ließ eine Teuerungswelle die Gastro-Preise steigen, sodass sich viele den Gasthausbesuch seltener leisten können. Umso wichtiger sind die Lokale, die weiterhin als soziale Anker fungieren – sie füllen die Rolle der “dritten Orte” und halten soziale Gefüge lebendig.
MIT HIGH-TECH ZUM STAMMTISCH
Klar hat Technik längst auch in Restaurants und Bars Einzug gehalten. Online-Reservierungen, QR-Speisekarten und sogar Serviceroboter erhöhen den Komfort und entlasten das Personal oder den Wirt, wenn er keines mehr findet. Doch bei aller Digitalisierung muss die menschliche Komponente im Mittelpunkt bleiben, warnt der Tiroler Tourismus-Landesrat Mario Gerber. (Wer, als ein Tiroler kann besser über „Bisch a Mensch…“ Bescheid wissen.) Gastfreundschaft und persönlicher Service sind unersetzlich für ein befriedigendes Gasterlebnis – ein Roboter mag Routineaufgaben übernehmen, aber das Lächeln eines echten Kellners lässt sich nicht digitalisieren. Die Balance zwischen Technologie und menschlicher Nähe zu finden, ist die Herausforderung der Stunde.
Sozialen Medien haben die Gastroszene verändert. Online-Bewertungen haben die Mundpropaganda längst abgelöst. Fast 90 % der Gäste vertrauen Internet-Rezensionen mehr als persönlichen Empfehlungen, und rund die Hälfte lässt sich bei der Restaurantwahl von Social Media beeinflussen. Doch wer nur aufs Smartphone starrt, verpasst das gute Gespräch am Tisch. Ein Umstand, der besonders für online Partnervermittelte zu bedenken ist – also Kopf hoch und blick der (dir gegenübersitzenden) Wahrheit zumindest in ein Auge.
In einer immer digitaleren Welt bleibt das Bedürfnis nach realer menschlicher Nähe ungebrochen. Gerade in Österreich mit seiner reichen Wirtshaus- und Kaffeehauskultur ist die Gastronomie mehr als nur eine Branche – sie ist ein Stück Lebensqualität, nach der wir alle suchen. Wissenschaftliche Erkenntnisse untermauern, wie erwähnt, was wir instinktiv spüren: Face-to-Face-Kommunikation hält uns seelisch gesund und gesellschaftlich verbunden. Daher gilt es, diese Orte zu pflegen – denn solange in Gasthäusern und Cafés noch gelacht, debattiert und gemeinsam auf das Leben angestoßen wird, bleibt der soziale Zusammenhalt intakt – na dann PROST! Auf die Liebe!
Nähere Einblicke in das Thema im Podcast FRISCHFLEISCH & NATURSEKT
Folge #43: Klebstoff der Gesellschaft
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