Umami-Power statt Food Waste 

In der Lebensmittelproduktion fallen oft Nebenströme an, die ungenutzt bleiben. So auch der Presskuchen aus der Produktion einer fermentierten Kürbiskern-Würzsauce – ein hocharomatischer Reststoff, der nach der Fermentation übrigbleibt.

Statt ihn zu entsorgen, entwickeln zwei oberösterreichische Unternehmen gemeinsam mit der FH OÖ daraus neue Produkte mit unverwechselbarem Charakter und setzen damit ein starkes Zeichen für Kreislaufwirtschaft und regionale Wertschöpfung. Der Lebensmittel-Cluster begleitet das Projekt.

Das Timelkamer Unternehmen Luvi Fermente verarbeitet heimische Rohstoffe mithilfe ausgewählter Mikroorganismen zu Würzsoßen und Pasten. „Für eine spezielle nussige ‚Sojasauce‘ verwenden wir statt Sojabohnen den proteinreichen Presskuchen aus der Kürbiskernölproduktion, kombinieren ihn mit geröstetem Weizen, Salz sowie Koji-Schimmelpilzen und lassen die Mischung über mehrere Monate fermentieren. Dabei entstehen die typischen Aromen, Farben und Umami-Noten der sojafreien Würzsauce“, erklärt Geschäftsführerin Christine Brameshuber. Nach dem Abscheiden der Sauce bleibt ein hocharomatischer Presskuchen zurück. Mit einem Salzgehalt von vier bis sechs Prozent bringt er viel Geschmack mit, wird aber aktuell nicht weiterverwertet.

Projektgruppe beim Kick-off-Meeting: Wolfgang Schmidtgrabmer (Innov8), Alexander Pindur (Lebensmittel-Cluster), Bettina Zieher (FH OÖ Forschungs & Entwicklungs GmbH), Katrin Mathmann (FH OÖ Forschungs & Entwicklungs GmbH), Christine Brameshuber (Luvi Fermente) © Innov8

Pulver mit Würze
Der F&E-Spezialist Innov8 aus Oftering möchte das bislang ungenutzte Potenzial fermentierter Nebenprodukte als Basis für ein pulverförmiges Clean-Label-Würzmittel erschließen. „Unser Ziel ist es, einen technologischen Prozess zu entwickeln, der ein intensives und charakteristisches Aroma hervorbringt“, erklärt Wolfgang Schmidtgrabmer, Geschäftsführer von Innov8. „Dazu wollen wir gezielt natürliche Geschmacksträger wie Glutaminsäure, Nukleotide sowie weitere umami-vermittelnde Komponenten – etwa kurzkettige Peptide und Maillard-Reaktionsprodukte – aus dem Presskuchen extrahieren und technologisch nutzbar machen.“

Umfassende Analyse
Wissenschaftliche Unterstützung kommt von der FH OÖ Forschungs & Entwicklungs GmbH, die die Fermentation auf molekularer Ebene analysiert. „Wir untersuchen, welche Verbindungen während der Fermentation abgebaut oder neu gebildet werden, welche Enzyme beteiligt sind und wie sich dabei das Aromaprofil verändert“, erläutern die projektverantwortlichen Wissenschafterinnen Katrin Mathmann und Bettina Zieher. Dieses Wissen bildet die Grundlage für künftige Produktinnovationen. 

Wolfgang Schmidtgrabmer, Geschäftsführer der Innov8 GmbH © Innov8

Zartmacher für Fleisch
Denn der übriggebliebene Presskuchen kann mehr. Seine natürlichen Enzyme spalten die Proteine im Fleisch, insbesondere die zähen Muskelproteine, und machen das Fleisch spürbar zarter. Als sogenannter enzymatischer Tenderizer bietet er eine pflanzliche Alternative zu herkömmlichen Methoden.

Geschmack aus Pflanzenprotein
Auch bei pflanzlichen Rohstoffen könnte der Presskuchen laut Schmidtgrabmer seine Wirkung entfalten: „Wir untersuchen, ob der Presskuchen bei der enzymatischen Hydrolyse Bestandteile aufspaltet und dabei geschmacksgebende Stoffe freisetzt. So entstünde hydrolysiertes Pflanzenprotein (HVP – hydrolized vegetable protein) – eine gefragte Komponente in Brühen, Würzen und Fleischersatzprodukten.“

Blick in die Zukunft
Die Projektgruppe blickt auch schon über das eigentliche Ziel hinaus und fasst bereits mögliche weitere Nebenströme wie Raps- oder Sonnenblumenpresskuchen, Okara aus der Tofuproduktion oder Brauereitreber für eine Fermentation ins Auge. „Dieses Projekt zeigt, wieviel Potenzial in vermeintlich ausgedienten Rohstoffen steckt. Wer Lebensmittel ganzheitlich denkt, schafft nicht nur innovative Produkte, sondern stärkt auch regionale Kreisläufe und reduziert Verschwendung“, betont Lebensmittel-Cluster-Managerin Heidrun Hochreiter.

Dieses Projekt wird aus Mitteln der oö. Wirtschafts- und Forschungsstrategie #upperVISION2030 vom Land OÖ gefördert.

Die Projektpartner

·        Luvi Fermente GmbH, Timelkam, www.luvifermente.eu

·        Innov8 GmbH, Oftering, www.innov8.at

·        FH OÖ Forschungs & Entwicklungs GmbH, Wels, https://fh-ooe.at/