Bis die Blase platzt
Wie Heuchelei und Niedriglohn die Gastro zerstört
Wie Heuchelei und Niedriglohn die Gastro zerstört
– aus dem PROST Magazin vom September 2025 – Text: Peter Eder
Das Gejammere im Jammertal Gastronomie ist nicht mehr anzuhören. Dabei sind die fehlenden Mitarbeiter in der Branche nicht für deren Niedergang verantwortlich, sondern die Schlauköpfe, die Menschen in Excel-Listen quetschen, um sie zu Faktoren zu degradieren.
Gute Verkäufer verdienen gute Kohle. Und wenn er/sie/es nicht so performt wie gewünscht, kann man – mit guter Schule – Wunder bewirken. Verkäufer sind das Rückgrat jeder Unternehmung. Ohne sie säße das Geld nicht so locker in unseren Taschen. Ihnen gelingt in kürzester Zeit, einen Wertewandel beim Käufer zu verursachen. So, dass Geld ausgeben nicht mehr weh tut, sondern – was auch immer – jeden Cent wert ist. Kauferlebnis nennt man das dann. Nur – bis in die Gastronomie hat sich diese wirtschaftswissenschaftliche 😉 Erkenntnis noch nicht durchgesprochen.
Das Rückgrat
In kaum einem anderen Beruf liegt Genie und Wahnsinn so nah beieinander wie beim Kellnern. Während Gäste sich an perfekt angerichteten Tellern und edel dekantierten Weinen erfreuen, läuft im Hintergrund der Job, der alles zusammenhält – und gleichzeitig ignoriert wird. Der Kellner ist nicht nur die Visitenkarte eines Lokals, sondern auch der ultimative Verkaufsprofi. Ohne ihn gäbe es keinen Umsatz, keine Empfehlung, kein Wiederkommen. Und doch ist seine Bezahlung ein Schlag ins Gesicht für jeden, der weiß, wie Gastronomie tatsächlich funktioniert.
Verkauf findet am Tisch statt – nicht am Herd
Küchenchefs mögen Stars sein, aber verkauft wird vorne im Gastraum. Dort, wo Gäste mit einem Lächeln empfangen, mit Charme beraten und mit Expertise umsorgt werden. Der Kellner ist Verkäufer, Berater, Animateur, Therapeut – oft alles gleichzeitig. Er entscheidet, ob zum Steak ein günstiger Hauswein oder eine hochpreisige Flasche aus dem Raritätenkeller bestellt wird. Ob noch eine Vorspeise, ein Dessert oder ein Digestif den Umsatz hochtreibt. Hallo! Das nennt man aktiven Verkauf – der eigentliche Motor der Gastronomie – das verlangt monetäre Wertschätzung – kein Schulterklopfen.
Der Niedriglohn-Wahnsinn – und warum er die Branche zerstört
Doch was bekommt der Kellner für all das? Meist unterdurchschnittlichen Lohn, gepaart mit der Erwartung, die persönliche Leidenschaft als Gratisbeigabe zu liefern. Trinkgeld wird als Ausrede missbraucht, um gerechte Entlohnung zu vermeiden. Das führt zu einem grotesken Teufelskreis:
Schlechte Bezahlung → weniger qualifiziertes Personal → schlechteres Gästeerlebnis → sinkender Umsatz → noch mehr Sparkurs → noch mehr Gejammere
Willkommen in der Gastronomie-Blase Österreichs.
Fachkräftemangel? Kein Wunder.
Während über den Fachkräftemangel gejammert wird, liegt die Lösung auf dem Silbertablett: Wer gute Leute will, muss sie gut behandeln. Wer vom Kellner Professionalität, Mehrsprachigkeit, Belastbarkeit und Verkaufsgeschick erwartet, sollte ihn nicht wie eine billige Aushilfe bezahlen. Es braucht dringend eine Neubewertung dieses Berufs – eine, die seine Schlüsselrolle im gastronomischen Ablauf endlich anerkennt.
Kellner sind Gastgeber, Markenbotschafter und Umsatzgaranten
In Wahrheit beginnt das Erlebnis Restaurant nicht mit dem Gruß aus der Küche, sondern mit dem Gruß des Kellners. Wer hier versagt, verliert den Gast – egal wie gut der Koch ist. Und wer hier brilliert, kann auch bei kulinarischem Mittelmaß Begeisterung erzeugen. Der Kellner ist also mehr als nur Servicekraft: Er ist das emotionale Zentrum, das die Gäste bindet und den Umsatz sichert.
Schluss mit der Missachtung
Es ist Zeit, dass Österreichs Gastronomen aufwachen. Der Service ist kein Anhängsel – er ist der wichtigste Teil des Betriebs. Ohne Kellner kein Verkauf, ohne Verkauf kein Umsatz, ohne Umsatz kein Betrieb. So einfach ist das. Wer weiter spart, sägt an seinem eigenen Stuhlbein. Respekt beginnt beim Gehalt. Alles andere ist Heuchelei.