15. qualityaustria Lebensmittelforum: Was morgen auf unseren Tellern landet
Am 22. Oktober trafen sich rund 100 Branchen-Experten und Interessierte beim 15. qualityaustria Lebensmittelforum in der wolke19 im Wiener Ares Tower, um die Zukunft der Lebensmittelindustrie zu beleuchten.
Bild: Otmar Höglinger (FH Wels), Wolfgang Leger-Hillebrand (Quality Austria), Carolin Krejci (Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), Axel Dick (Moderation, Quality Austria)
Top-Speaker erläuterten unter anderem, welche Berichtspflichten auf Österreichs Unternehmen zukommen, wie KI die Branche verändern wird und welche Bedeutung neue Technologien für die Lebensmittelversorgung der Zukunft haben.
Die Zukunft ist hinter dem Tellerrand Lebensmittel sind im wahrsten Sinne des Wortes die Ressource allen Lebens. Ohne eine nachhaltige Versorgung mit Lebensmitteln sind alle anderen Industrien obsolet. Der Lebensmittelindustrie kommt in der nachhaltigen Transformation deshalb eine besondere Bedeutung zu. Mehr denn je ist sie gefragt, Innovationen zu setzen, sich neuen Technologien zu öffnen und das Überleben der Menschheit langfristig sicherzustellen. Die Klimakrise, globale Konfliktherde, die Verschmutzung unserer Umwelt, Krankheitserreger und viele andere Faktoren bedrohen die Lebensmittelversorgung jedoch. Mit Berichtspflichten und Regularien versucht der Gesetzgeber gegenzusteuern. Gelingen kann eine erfolgreiche Zukunft aber nur gemeinsam: „Wenn wir eine nachhaltige Zukunft erleben wollen, müssen wir über den Tellerrand blicken. Nachhaltigkeit bedeutet, dass wir uns vom Silo-Denken verabschieden und stattdessen abteilungs- und branchenübergreifend denken. Wir müssen verstehen, dass wir die nachhaltige Transformation nur gemeinsam schaffen“, appellierte Wolfgang Leger-Hillebrand, Leitung Branchenmanagement Lebensmittelsicherheit bei Quality Austria, in seinem Eröffnungsvortrag. Berichtspflichten, Regularien sowie Technologien wie KI oder Gentechnik müssen zusammenspielen, um die grüne Transformation zu schaffen. Das bedeutet auch, Klarheit für Konsumenten zu schaffen und dem Greenwashing mittels Verordnungen einen Riegel vorzuschieben.
KI in der Lebensmittelindustrie Wie revolutionär die KI ist und dass sie weit mehr als witzige Bilder erstellen kann, wird den meisten Menschen wohl erst in ein paar Jahren bewusst sein. Ob sie unsere Gesellschaft so nachhaltig verändert wie die Erfindung des Buchdrucks, die Entdeckung der Elektrizität oder der Einsatz des Internets, wird sich weisen. Im Verborgenen hat die KI längst – für die Meisten unbemerkt – Einzug in Produktionsprozesse gehalten. KI-gesteuerte Logistikzentren, selbstfahrende Lieferwagen, die kaum Strom verbrauchen und geringe Wartungskosten verursachen, Transportroboter, die just-in-time liefern: Die Lebensmittelproduktion wird günstiger und sicherer, gleichzeitig gehen damit menschliche Arbeitsplätze verloren. „Wir werden auch in Zukunft genug zu tun haben, uns aber darauf einstellen müssen, menschliche Arbeit zu übernehmen. Eine künstliche Welt kann uns den Arbeitsalltag erheblich erleichtern, indem uns lästige und schwere Arbeit abgenommen wird“, sagte Christoph Holz, Business Angel & Public Speaker. Dass die KI den Menschen nicht nur Arbeit abnimmt, sondern aktiv unterstützt, erläuterte Carolin Krejci vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz: „Probleme mit gesundheitsschädlichen, verunreinigten oder verfälschen Lebensmitteln gab es immer. Schon im Römischen Reich wurden Lebensmittel aus dem Verkehr gezogen. Die KI wird in Zukunft aber ganz neue Maßstäbe schaffen, wenn es um Kontrollen geht.“ So könnte sie etwa bei der Überwachung von Parasiten- oder Tierschutzkontrollen beim Schlachten zum Einsatz kommen und damit für Lebensmittelsicherheit sorgen. Den Rahmen dafür sichern rechtliche Grundlagen und Verordnungen, die sich auch in Berichtspflichten für Unternehmen widerspiegeln.
Berichtspflichten und Integrierte Managementsysteme Regulierungen und Berichtspflichten zielen vor allem darauf ab, Klarheit und Orientierung für Konsumenten herzustellen. Greenwashing begegnet den Verbrauchern in vielen Formen, ist aber häufig schwer zu erkennen. Auch für Unternehmen ist der Grat zwischen überzeugender Nachhaltigkeitskommunikation und Greenwashing sehr schmal, da Konsumenten in der Zwischenzeit auch substanzielle Kommunikation nicht zwangsläufig als glaubwürdig erachten. „Gerade Unternehmen aus kritischen Branchen wie Chemie oder fossilen Brennstoffen müssen bei der Kommunikation über grüne Inhalte vorsichtig sein. Aber auch bei Handelsunternehmen ist die Wahrscheinlichkeit von wahrgenommenem Greenwashing mittlerweile groß“, erklärte Matthias Fifka, Vorstand des Instituts für Wirtschaftswissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Die zunehmenden gesetzlichen Vorgaben wie die Green Claims Directive der EU sind auf die Bekämpfung des Greenwashings ausgelegt und verpflichten Unternehmen dazu, die kommunizierten grünen Inhalte auch belegen zu können. Eine gute Basis, um den Weg zu künftigen Berichtspflichten aufzubereiten, ist der Einsatz Integrierter Managementsysteme. Sie helfen Unternehmen bei der Strategieentwicklung und der Ableitung von sinnstiftenden Zielen und Maßnahmen sowie Risiken und Chancen. Mit einem Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) lassen sich die ESG-Leistungen zudem fortlaufend optimieren und steuern. Und damit sind Unternehmen für CSRD, Disclosures und die Taxonomie-Verordnung gut vorbereitet.
Ausblick: Die Lebensmittelindustrie der Zukunft Die Lebensmittelindustrie hat einen weiten Weg und eine lange Entstehungsgeschichte hinter sich. Angefangen bei Jägern und Sammlern über den Ackerbau bis hin zur gegenwärtigen Lebensmittelindustrie hat sich die Ernährung des Menschen laufend verändert und an die jeweiligen Rahmenbedingungen angepasst. Negative Trends wie Adipositas oder Diabetes haben genauso Einfluss auf die Lebensmittelindustrie wie positive Trends wie eine fleischlose oder vegane Ernährung. Was wir essen hängt auch von den uns zur Verfügung stehenden Rohstoffen ab. „Wir gehen davon aus, dass sich die Rohstoffvielfalt in Zukunft verringert, da neue Technologien aus einem Rohstoff eine Vielzahl von Produkten herstellen können. So wird etwa die Gentechnologie unsere Rohstoffe auf zwei Wegen verändern“, erklärte FH-Prof. Otmar Höglinger vom Center of Excellence Lebensmitteltechnologie und Ernährung der FH Wels. Während gentechnisch veränderte Rohstoffe der Landwirtschaft durch eine bessere Klimaverträglichkeit einen höheren Ertrag bescheren, werden auch die Inhaltsstoffprofile wie zum Beispiel der Vitamin-Gehalt in Zukunft gentechnisch verändert.
Neben der Gentechnik werden aber auch alternative Rohstoffe bei der Lebensmittelversorgung eine Rolle spielen. „Für etwa zwei Milliarden Menschen gehören Insekten bereits jetzt zum Speiseplan. Ob wir uns in Europa mit Delikatessen wie gekochten Wespenlarven, gerösteten Heuschrecken oder gekochten Ameisenlarven mit Knoblauch anfreunden, wird die Zukunft zeigen. Aber dass sich unsere Ernährung verändern wird, ist unbestritten“, so Höglinger. Für weniger Experimentierfreudige könnte die In-vitro-Produktion von Fleisch eine Alternative oder zumindest ein Geschäftsmodell sein. Weltweit arbeiten 156 Firmen an Fleisch oder Fisch aus Zellkulturen. In Singapur und den USA ist In-vitro-Fleisch bereits marktreif. Und auch Nanotechnologie und 3D-Druck werden uns in Zukunft neue Lebensmittel bescheren.
An diesem Punkt knüpfte Food-Trend Expertin Hanni Rützler an: „Nicht zu übersehen ist der neue Umgang mit dem Fleisch. Wir befinden uns mitten im Peak-Meat. Traditionell ist das Fleisch die Leitsubstanz auf dem Teller (gewesen) – so wurde jahrzehntelang darauf hingearbeitet, dass es für alle leistbar wird. Daher ist es heute, wo wir diesen Punkt erreicht haben, für Teile der Gesellschaft leichter, darauf zu verzichten. Die österreichische Esskultur ist ohne Fleisch zwar nicht vorstellbar, aber wir machen einen Wandel durch.“ So war bis ins Jahr 2000 das Wiener Schnitzel die Lieblingsspeise aller Österreicher. Um die Jahrtausendwende lagen erstmalig bei den unter 40-Jährigen Pizza und Nudeln an der Spitze. „Gastronomiebetriebe, die sich mit Beilagen als Fleischersatz durchschwindeln versuchen, haben es mittlerweile schwer“, erläuterte Rützler die Auswirkungen dieses Wandels. Flexitarier sind heute bereits Mainstream (30 bis 60 % der Bevölkerung) – allerdings nicht nur aus Gründen des Verzichts, sondern auch aus Neugierde. „So kann das Essen heute auch spielerischer werden und muss wie das vegane Lachsfilet nicht mehr dem Originalprodukt entsprechen. Die Zukunft wird allerdings den Trendsynergien gehören, die zu ganzheitlichen Lösungen für Gesundheit, Nachhaltigkeit und Klimaschutz führen.“ Fakt ist also: Die Lebensmittelindustrie wird sich in Österreich und weltweit weiter verändern. Wichtig ist, dass bei allen Entwicklungen das Wohl des Menschen im Mittelpunkt steht und alle Akteure den Blick über den Tellerrand, im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses, nicht verlieren.