Die Kraft der Empathie
Wie der Perspektivwechsel uns zu besseren Gastgebern macht – Kolumne von Bettina Fleiss
Wie der Perspektivwechsel uns zu besseren Gastgebern macht – Kolumne von Bettina Fleiss
Über viele Jahre meines Berufsalltags hinweg habe ich Unternehmen in der Gastronomie und Hotellerie, im Handel und der Nahrungsmittelindustrie dabei unterstützt, ihre Positionierung zu schärfen, ihre Kommunikation zu optimieren und ihre Geschichten mit Leben zu füllen. Seit November letzten Jahres hat sich jedoch meine eigene Geschichte – und damit der Blickwinkel – maßgeblich verändert: Mit der Leitung der Gastronomie MAESTRO by Eden in der Salzburger Innenstadt stehe ich nun selbst vor den Herausforderungen, die ich früher vorwiegend aus der Perspektive der Beraterin kannte.
Dieser Schritt hat mir nicht nur neue Einblicke ermöglicht – er hat meine ganzheitliche Sicht auf die Dinge grundlegend verändert. Mein eindrücklichstes Learning: Wer wirklich erfolgreich sein will, braucht es mehr als gute Strategien. Es braucht Leidenschaft, Durchhaltevermögen, Resilienz und vor allem Empathie. Die Fähigkeit, die Perspektive der anderen Seite einzunehmen – sei es die der Gäste, des Teams oder der Branche als Ganzes – ist das Alpha und das Omega. Sie ist essenziell.
Die Perspektive der Zielgruppe: Ein Schlüssel zum Erfolg
Gastronomie ist weit mehr als gutes Essen, fancy Drinks und ein schönes Ambiente. Für die Gäste ist jeder Besuch eine Einladung in eine magische Zauberwelt, die sie für einen Moment aus dem Alltag führt. Doch um diese optimal gestalten zu können, muss man die Bedürfnisse und Wünsche der Zielgruppe verstehen, fühlen und bedienen.
Seit ich selbst Gastgeberin bin, habe ich verstanden, wie entscheidend es ist, sich immer wieder in das individuelle Universum der Gäste hineinzuversetzen. Was brauchen sie gerade? Was erwarten sie? Und vor allem: Was können wir tun, um sie nicht nur zufriedenzustellen, sondern zu begeistern? Ist es ein freundliches Wort, ein kurzer Plausch, die Frage nach dem werten Wohlbefinden? Oder eine kulinarische Empfehlung? Noble Zurückhaltung und die Wahrung des persönlichen Raumes? Ist es heitere Gelassenheit oder goldenes Schweigen?
Dieser Perspektivwechsel ist eine tägliche Challenge. Er erfordert die Bereitschaft, die eigene Komfortzone zu verlassen und auch die kleinsten Details mit den Augen der anderen zu betrachten. Doch genau darin liegt die Chance, sich abzuheben: indem wir nicht einfach nur Erwartungen erfüllen, sondern sie übertreffen.
Was ich auch lernen durfte: in neun von zehn Situationen ist meine Intuition im Gefühls- und Gedankenlesen goldrichtig und Ausnahmen bestätigen die Regel. Doch wer nicht fragt, vergibt die Chance, es richtig zu machen. Dafür nehme ich gerne den einen „Fehler“ in Kauf, wo ich ins emotionale Fettnäpfchen tappe. Nobody is perfect! Doch Perfektion hat ohnehin wenig Charakter.
Empathie als Führungsprinzip
Ähnlich wie mit den lieben Gästen verhält es sich auch für das Team. Erfolgreiche Kommunikation und Positionierung nach außen beginnen immer im Innen. Ich habe erlebt, wie wichtig es ist, auf die Menschen hinter den Kulissen einzugehen, ihre Anliegen ernst zu nehmen und sie zu befähigen, die Vision des Unternehmens mitzutragen. Ebenso wichtig sind klare Grenzen und Ziele.
Wenn wir die Perspektive unserer Mitarbeitenden verstehen – ihre Herausforderungen, ihre Bedürfnisse und ihre Ideen – können wir gemeinsam Großes schaffen. Empathie ist mehr als eine Tugend; sie ist ein Führungsprinzip, das den Unterschied macht.
Theorie wirkt in der Praxis (Wunder)
Die Praxis hat mir gezeigt, wie kniffelig es manchmal sein kann, Strategien in die Tat umzusetzen. Aber sie hat mir auch bestätigt, wie lohnenswert es ist, immer wieder die Perspektive zu wechseln. Diese Bereitschaft öffnet Türen für Innovation, Kreativität und einer starken Bindung zwischen Menschen. Als Beraterin habe ich oftmals die Macht der Authentizität betont. Als Gastgeberin lebe ich sie jetzt – und ich sehe, wie Gäste auf ehrliche und empathische Kommunikation referenzieren. Es ist diese Echtheit, die uns als Gastronomen erfolgreich macht und Emotionen des Glücks auf allen Ebenen erschafft.
WISSEN TO GO
Unsere Branche lebt von der Nähe, die wir zu den Menschen rund um unser Bestreben macht. Es geht um die Nähe zu Gästen, dem Team und zu den eigenen Werten. Doch diese entsteht nur, wenn wir bereit sind, die andere Seite zu verstehen und bestmöglich zu bedienen. Empathie ist kein Selbstzweck. Sie ist ein Tool, um Verbindungen zu schaffen, Loyalität aufzubauen und wahre Begeisterung zu entfachen.
Mein Perspektivwechsel hat mir gezeigt, dass Erfolg zwar durch Hardfacts und Strategien bestimmt wird, aber auch durch die Qualität der Beziehungen, die wir pflegen. Genau diese Verbindungen entstehen, wenn wir die Welt mit anderen Augen sehen. Mein Weg hat mich gelehrt, dass wir uns immer wieder hinterfragen und auf die andere Seite schauen müssen. Denn nur so können wir wachsen – als Gastgeber, als Führungskräfte und als Menschen.
Fragen bitte an hallo@fleissundfreude.com