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Potentialmarkt Südamerika: Im Gespräch mit Lourdes Berho
Potentialmarkt Südamerika: Im Gespräch mit Lourdes Berho
– aus dem PROST Magazin vom Juni 2025 – Text: Peter Eder
Ein Gespräch mit Lourdes Berho, ehemalige CEO Mexico Tourism, Founder & Chief Vision Officer, Alchemia Group
Österreich ist zu außergewöhnlich, um sich billig verkaufen zu müsen. Weltweit zeigen immer mehr zahlungskräftige Gäste Interesse an Land, aber auch Leuten. Neben Kultur, Insta- Motiven (= Gegend), Status und Prestige oder einzigartigen Erlebnissen (Sound of Music) besuchen sie Österreich auch aus historischen Gründen. Viele Südamerikaner kommen nach Europa, um Ahnenforschung zu betreiben.
PROST: Frau Berho, was zieht kaufkräftige Südamerikaner nach Österreich?
Lourdes Berho: Neben den Themen meines Vortrags kommt noch ein wichtiger Motivator hinzu – das Thema Sicherheit. Wir kommen mit unseren Familien und fühlen uns in Österreich sicher. Hier kann man sich ein Auto mieten und durchs Land fahren – das ist an vielen Orten der Welt nicht selbstverständlich. Eines der wichtigsten Reisemotive ist jedoch die Kulinarik. Sie ist ein enorm starker Anreiz. Zum Beispiel würden Mexikaner gern Erlebnisse wie Skifahren, Wandern oder einen Konzertbesuch mit einer Weinverkostung in einer besonderen Location verbinden. Das Zusammenspiel von Kulinarik, Kunst, Kultur und Natur wäre ein großartiges Produkt.
PROST: Inwiefern sollte sich Österreich auf lateinamerikanische Reisende einstellen?
Lourdes Berho: Ich empfehle zunächst, Informationsmaterialien wie Broschüren und Webseiten auf Spanisch bereitzustellen. Das wäre ein einfacher Einstieg. Aber ja, auch Spanisch sprechende Reiseführer zu haben, ist wichtig. Englisch ist in Südamerika keine gängige Sprache.
ÖTT 2025: Anlässlich des Österreichischen Tourismustages 2025 war Lourdes Berho in Wien zu Gast. Sie begeisterte heimische Touristiker für den Potenzialmarkt Südamerika. Wir haben sie abseits des interessierten Publikums am ÖTT zum Thema befragt.
PROST: Worauf legen kaufkräftige Südamerikaner besonderen Wert?
Lourdes Berho: Auf Service. Wir sind verwöhnt, weil wir aus sehr gastfreundlichen Ländern kommen. Wir sind es gewohnt, persönlich und herzlich begrüßt zu werden – so sind wir aufgewachsen. Wenn das fehlt, ist es schwierig. Lateinamerikaner wollen erfahren, wie die Österreicher leben. Wo gehen sie essen? Welche Aktivitäten unternehmen sie? Wo wandern sie? Wo fahren sie Rad oder Ski? Wenn es der Tourismusindustrie gelingt, solche Erfahrungen in ihr Portfolio aufzunehmen, verkauft sich das besser als einzelne Destinationen.
PROST: Was raten Sie – wie sollten Touristiker vorgehen?
Lourdes Berho: Der erste Schritt wäre, Kontakt mit Reisebüros in Mexiko oder Südamerika aufzunehmen. Wir empfehlen oft sogenannte „Sales Missions“, die regelmäßig stattfinden sollten. Dabei sollten Fluggesellschaften, Reiseveranstalter und DMCs (Destination Management Companies) in verschiedene Städten besucht werden. Weiters sollten Reisebüros und Agenturen, die auf den Luxusmarkt spezialisiert sind, geschult werden. Im Video, das ich bei meinem Vortrag gezeigt habe, sagte jede interviewte Person, wie wichtig es ist, auf den Markt zuzugehen und zu schulen – immer wieder. Österreich hat so viel mehr zu bieten. Südamerikanische Reisebüros trauen sich aber nicht, das zu verkaufen, weil sie das Angebot nicht kennen. Österreich passt sehr gut zu den Interessen mexikanischer und lateinamerikanischer Reisender – aber wir brauchen mehr Wissen darüber. Und ich finde: Man sollte sich nicht zu billig verkaufen. Es geht nicht um Masse, sondern um Qualität. Der durchschnittliche Mexikaner, der nach Europa reist, gibt fünfmal mehr aus als europäische Touristen. Und das liegt daran, dass wir Kultur wertschätzen. Wir möchten lieber weniger Touristen, dafür die richtigen. Anstatt unter Overtourism zu leiden, ist es nachhaltiger, auf Qualität zu setzen.
PROST: Sind südamerikanische Touristen bereit, für Qualität zu zahlen?
Lourdes Berho: Natürlich – niemand gibt gern zu viel aus. Wenn man mit sechs Personen reist, schaut man auf den Flugpreis, vielleicht auch aufs Hotel. Aber bei Erlebnissen machen wir keine Abstriche. Wenn es etwas Besonderes ist, zahlen wir, was nötig ist. Wenn es uns wirklich begeistert, spielt der Preis keine Rolle – zumindest nicht in diesem Segment. Ich habe ein Marketingkonzept entwickelt, das ich „Akupunktur-Marketing“ nenne: Man zielt ganz präzise auf die Besucher, die man will. Wir arbeiten zum Beispiel mit der Provinz Québec in Kanada. Es ist für Mexikaner teurer, dorthin zu reisen als nach Europa. Aber durch gezielte Zusammenarbeit mit Airlines und Partnern konnten wir die Besucherzahlen um 63 % steigern – mit maßgeschneiderten Wintererlebnissen. Es geht also.
Medienfitness: Reichweite, Sichtbarkeit und Glaubwürdigkeit zählen zur Grundausstattung jedes touristischen Betriebs. Dafür sind Fotos und Texte notwendig die nicht nur auf Insta neue Gäste inspirieren. Auch Journalist:innen, Influencer:innen, Blogger und Content Creator benötigen schnell zugänglichen Input.
PROST: Mit wie vielen Gästen wäre zu rechnen?
Lourdes Berho: Nur zur Orientierung: Aus Brasilien reisen jährlich 4 Millionen Menschen nach Europa, aus Mexiko über 2 Millionen. Wenn man den gehobenen Teil ansprechen will, könnte Österreich 300.000 bis 500.000 Gäste aus ganz Südamerika anziehen. Fraglich ist aber: Wie viele dieser Gäste kann Österreich bedienen? Welches Ziel verfolgt das Land? Da ist in vielen Bereichen ein Umdenken nötig. Das Potenzial ist jedenfalls enorm.