Gastro-Expedition ins Baltikum

„Eigentlich mögen es die Bewohner Estlands, Lettlands und Litauens gar nicht gerne, wenn ihre Länder unter „Baltikum“ vereint werden. Denn tatsächlich sind, Sprache, Kultur und über weite Teile auch die historische Entwicklung der drei Staaten höchst unterschiedlich“, berichtet Herbert Koll von Koll Gastro Konzept, der ergänzend zum diesjährigen GastroBizz-Kongress in Lettlands Hauptstadt Riga auch die Gastroszene in Estland und Litauen unter die Lupe genommen hat.

Der rasante wirtschaftliche Aufschwung der drei baltischen Staaten nach der Öffnung ist heute ebenso erlebbar wie die Folgen des steilen Absturzes in den Krisenjahren 2008-2011. Schicke Einkaufszentren und moderne Hochhäuser auf der einen, gespenstisch anmutende, verwaiste Dörfer auf der anderen Seite.

Die Entwicklung in der Gastronomie war in den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit von internationalen Restaurantkonzepten geprägt: Burger-, Pizza- und Sushi-Restaurants boomten. Viele dieser auf die Bedürfnisse der einheimischen Gäste zugeschnittenen Lokale befinden sich in Einkaufszentren, die sich aufgrund der kalten, dunklen Wintermonate zu echten Orten der Freizeitgestaltung entwickelt haben. So erinnert das „Akropolis“ in Vilnius mit seinem gigantischen Eislaufplatz und seiner gastronomischen Vielfalt durchaus an die großen Malls in Canada.

Nach und nach begann jedoch eine Generation von jungen, engagierten Köchen – viele von ihnen mit internationaler Erfahrung – sich auf die eigenen kulinarischen Wurzeln zu besinnen. Gewisse Parallelen mit der „New Nordic Cuisine“ sind durch die geographische Nähe nachvollziehbar, andererseits wird die typische Haumannskost auf ein neues Niveau gehoben. Neben Fisch stehen dann auch Sauerampfer, Rote Rüben, Rhabarber und eine Vielzahl von genießbaren Pilzen und Beeren auf der Karte. Dazu werden kreative Craft-Biere ebenso getrunken wie der säuerlich-sprudelnde Birken-Sekt. Zum Abschluss darf natürlich der „schwarze Balsam von Riga“ nicht fehlen, ein seit Jahrhunderten produzierter Kräuterlikör.

Die meisten Lokale der „neuen Individualisten“ befinden sich in den Stadtzentren. Im berühmten Jugendstilviertel, aber auch in der stimmungsvollen Altstadt von Riga wird in zahlreichen Restaurants auf Top-Niveau gekocht. Viele Lokale findet man in liebevoll restaurierten Kellern. Während im „Balzambars“ beispielsweise die besten Cocktails Lettlands gemixt werden, werden die Gäste des „Rozengrals“ auf eine authentische Zeitreise in das Mittelalter entführt.

Stark skandinavisch geprägt ist Tallin, wo Mittelalter und Moderne zu verschmelzen scheinen. Auffallend ist der hohe Anteil von Selbstbedienungs-Konzepten, was daran liegen mag, dass die heimischen Service-Mitarbeiter die nordische Gelassenheit in Perfektion zelebrieren. Ein gelungenes Beispiel dafür, wie man Brot & Gebäck gekonnt in Szene setzen kann, ist das Bakery-Cafe „Rukis“ mit seiner offenen Backstube.

Prachtvolle Barockbauten, Bürger- und Kaufmannshäuser, aber auch gemütliche Gastgärten dominieren die Altstadt von Vilnius, das wegen seines südeuropäischen Flairs auch „Rom des Nordens“ genannt wird. In den Einkaufszentren fällt der hohe Anteil an Systemgastronomie-Ketten wie „Can Can Pizza“ oder „Gan bei City“ auf, die nicht nur auf originelles Design, sondern auch auf konsequente Ausrichtung auf das Basisprodukt setzten.

„Mit der gekonnten Umsetzung von Themen sowie der Inszenierung regionaler Produkte, vor allem aber mit einer besondere Liebe zum Detail, bietet die Gastronomie des Baltikums viele wertvolle Anregungen“ fasst Herbert Koll die Eindrücke der Trend-Tour zusammen.

www.koll.eu