Warum reden wir die Branche so schlecht?


Ja, es ist nicht alles Wonne und Sonnenschein. Aber welche Branche kann dies schon von sich uneingeschränkt behaupten? Zwei Kernthemen tauchen immer wieder in Diskussionen auf. Das Lohnniveau ist in der Gastronomie sehr niedrig. Man muss an Sonn- und Feiertagen arbeiten. Es kommt wie bei allen Dinge im Leben immer auf den Blickwinkel an. Machen Sie mit mir einen Perspektivenwechsel.

Die Entlohnung ist nicht so schlecht, wie sie in vielen Statistiken aufscheint. Machen wir ein kleines Rechenbeispiel. Nehmen wir an, eine Mitarbeiterin im Service ist vollzeitbeschäftigt und verdient 14x im Jahr rund Euro 1.750,-, also im Bereich des Österreichischen Kollektivvertrags. Nun erhält sie monatlich etwa Euro 250,- Trinkgeld netto, also bar auf die Hand. Würden die Euro 250,- als Bruttolohn auf dem Lohnzettel stehen, wären dies ca. Euro 450,- brutto (unter Berücksichtigung des 13. Und 14. Monatsgehalts). Jetzt rechnen wir noch hinzu, dass 99 % der Dienstgeber den MitarbeiterInnen eine Personalverpflegung schenken – manchmal sogar 2-3x am Tag und manche Hotels tun dies sogar an den freien Tagen. Nehmen wir an, ein Büroangestellter geht jeden Tag Mittagessen und hat nicht den Vorteil einer Betriebskantine, in der er ermäßigt essen kann. So benötigt dieser Angestellte vermutlich Euro 10,- pro Arbeitstag, also bei 20 Arbeitstagen Euro 200,- pro Monat, die er zuvor verdienen muss – natürlich netto. Die Euro 200,- netto bedeuten am Lohnzettel rund Euro 400,- brutto. Allein wenn wir diese beiden Punkte berücksichtigen, müsste eine Mitarbeiterin, die nicht in den Genuss von Trinkgeld und gratis Essen kommt, auf ihrem Lohnzettel Euro 2.580,- brutto stehen haben (wieder unter Berücksichtigung von 14 Gehältern). Hinzukommen bei MitarbeiterInnen von Hotels möglicherweise eine kostenlose Nutzung der Infrastruktur, wie zum Beispiel des Fitnessstudios oder Wellnessbereichs. Ich denke, das Argument „schlechte Bezahlung“ ist hiermit entkräftet.

An dieser Stelle sei mir noch ein Tipp für die Darstellung des Monatslohns erlaubt. Viele ArbeitnehmerInnen aus dem Ausland wissen nicht, dass es in Österreich ein 13. und 14. Gehalt, das auch noch steuerlich begünstigt ist, bezahlt wird. Geben Sie deshalb in Job-Inseraten besser das Brutto-Jahresgehalt an.

Kommen wir zum Thema Wochenendarbeit. Dieses Thema ist ein sehr heikles und für mich durchaus nachvollziehbar, dass hier die Wogen teilweise hochgehen. Ist es nicht so, dass wir von klein auf darauf gedrillt werden, dass das Arbeiten an Sonn- und Feiertagen schlecht ist? Dies geht bereits bei unserer Lehrlingspolitik los. So wird implizit unseren Lehrlingen vermittelt „Arbeiten am Sonntag ist schlecht“. Die Gesetzgebung erlaubt uns eine Beschäftigung der Lehrlinge an nur 50 % der Sonntage. Ich frage mich: „Warum? Ist die Arbeit am Sonntag anstrengender oder schlechter bzw. den Lehrlingen nicht zumutbar?“ Was ist beim Arbeiten an Sonntagen anders, außer dass man vielleicht bei viel Frequenz mehr Trinkgeld macht. Gleichzeitig kann ein Sonntagsdienst in einem Stadthotel relativ entspannt sein, da vermutlich wenige Gäste im Hotel sind. Also warum diese Rechtslage? Oder liegt es vielleicht daran, dass der größte österreichische Radiosender bereits am Freitag in der Früh anfängt über das bevorstehende Wochenende zu schwärmen. An dem am Anfang alle im Freitagsstau der Großstädte stecken, sich am Samstag in Massen durch die Einkaufszentren quälen und am Sonntag vor lauter Wanderer die Aussicht am Gipfel gar nicht genießen können. Es stimmt, das mag vielleicht etwas überzogen wirken, aber im Grund werden mir viele zustimmen, wenn ich behaupte, Einkaufen unter der Woche oder ein Ausflug in die Natur sind in vielerlei Hinsicht entspannter. An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass es viele andere Branchen gibt in denen auch an Sonn- und Feiertagen gearbeitet wird. Hier eine kleine Auswahl: Ärzte und Krankenschwestern, BusfahrerInnen, TaxifahrerInnen, ReiseleiterInnen, MitarbeiterInnen von Fitnessstudios, BademeisterInnen, Polizei, Feuerwehr, Bundesheer, FlughafenmitarbeiterInnen und FlugbegleiterInnen, SchichtarbeiterInnen in verschiedenen Branchen, RedakteurInnen, MitarbeiterInnen bei Radio und Fernsehen, MitarbeiterInnen in Kinos oder Theater, Wachdienste usw. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Statistiken zeigen, dass rund 25 % der Bevölkerung an Sonn- und Feiertagen arbeiten. Ich frage mich, ob diese Menschen deshalb unglücklicher sind? Zahlreiche ArbeitnehmerInnen haben mir in Gesprächen bestätigt, dass sie die Vorzüge sehen, die ihnen die Wochenendarbeit bringt. Oft ist sie verbunden mit vergleichsweise mehr Freizeit unter der Woche. So gibt es Arbeitszeitmodelle in der Gastronomie, wo dafür nur 4 Tage pro Woche gearbeitet wird. Theater- oder Kinokarten sind unter der Woche billiger. Skipisten sind leerer. Anstellen an der Kassa fällt auch oft weg und vieles mehr. Und braucht man wegen eines wichtigen Termins oder einer Feierlichkeit einmal an einem Wochenende frei, lässt sich dies laut Aussage vieler Befragter einrichten.

Ein Punkt wo viele Unternehmen im Tourismus Nachholbedarf haben, ist das Mitarbeiter-Management. Das beginnt bei der Führung geht weiter über die Integration der MitarbeiterInnen in die Unternehmensentwicklung und endet bei der Kommunikation nach außen. Ich kenne zum Beispiel nur wenige Betriebe in der Hotellerie und Gastronomie, die einem Lehrling einen Karriereplan zu Beginn der Ausbildung vorlegen können, wie er in anderen Branchen Usus ist. Oder Weiterbildungsmöglichkeiten für MitarbeiterInnen, die aktiv vom Arbeitgeber unterstützt werden. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel, aber hier haben wir noch sehr viel Nachholbedarf. Die Grundregeln des „employer brandings“ sollten so rasch wie möglich auch von den Verantwortlichen im Tourismus umgesetzt werden. Hierfür braucht es allerdings Menschen die Menschen begleiten und führen können. So sollten wir aufhören die Führungskompetenz von der fachlichen Kompetenz abhängig zu machen, sondern vielmehr die soziale Kompetenz in den Vordergrund stellen. Dann kommt es nicht mehr so oft vor, dass die Betriebszugehörigkeit oder die Dienstjahre ausschlaggebend für Führungsverantwortung sind.

Ja, wir stehen vor großen Herausforderungen, aber wenn wir anfangen objektiv zu reflektieren und die Dinge anzupacken, dann sehe ich mit Zuversicht die Problematik des Fachkräftemangels schwinden. Ein Kopf in den Sand stecken und auf Lösungen warten, wird nicht helfen.

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