Insider decken dubiose Praktiken in der Alternativmedizin auf

Sie geben sich als heilende Gurus aus und können schweren Schaden anrichten: Energetiker, die akute Blinddarmentzündungen mit Atemübungen behandeln,  Kinesiologen, die gegen Harnwegsentzündungen Meditation empfehlen oder Naturheiler, die bei Krebs-Symptomen Kräutermischungen verschreiben. Der Boom der Alternativmedizin birgt für Patienten immer mehr Risiken, die bis zur Lebensgefahr reichen.

Der Arzt und wissenschaftliche Leiter am Wiener Standort der Europäischen Akademie für Ayurveda, Dr. Ashish Bhalla, und der Gesundheitswissenschaftler und  Soziologe DDr. Christian F. Wolf decken in ihrem brisanten Report „Böse Heiler – wie Sie die Scharlatane in der Alternativmedizin erkennen“ die dubiosen Praktiken, Fallen und Tricks der Branche auf.

„Die Täter handeln in den wenigsten Fällen in betrügerischer Absicht“, sagen Bhalla und Wolf. „Es fehlt ihnen vielmehr an einfachem medizinischen Grundwissen, sie  kennen ihre Grenzen nicht und stehen wegen der wachsenden Konkurrenz unter ökonomischem Druck.“

Konkrete dramatische Fälle
Dass immer mehr Patienten wirtschaftliche und gesundheitliche Opfer der Alternativmedizin werden, ist nach Meinung der Autoren Systemfehlern in der Schulmedizin geschuldet. „Die Schulmedizin ist gerade mit den häufiger werdenden chronischen Erkrankungen und Stresssymptomen oft aufgrund einer chronischen Überlastung der Ärzte durch die Zunahme der Patientenzahlen bei gleichzeitigem Personalmangel überfordert und entfernt sich in ihrer Arbeitsweise von der traditionellen Arzt-Patient-Beziehung. Patienten fühlen sich in der Alternativmedizin oft besser aufgehoben, können aber die Kompetenz ihres Alternativmediziners mangels  nachvollziehbarer Ausbildungssysteme und staatlich vorgegebener Parameter nicht einschätzen.“ Bhalla und Wolf schildern deshalb nicht nur anhand konkreter und dramatischer Fälle den beunruhigenden Zustand der Alternativmedizin. Sie geben Patienten auch Anleitungen, woran sie Scharlatane von kompetenten Anbietern in  diesem Bereich unterscheiden können. Etwa daran, dass Scharlatane eine Methode bei allen Patienten anwenden. „In der Kräutermedizin zum Beispiel begehen Alternativmediziner damit häufig schwere Fehler“, sagt Bhalla. „Kräuter wirken bei jedem Patienten anders. Außerdem ignorieren sie, dass auch Kräuter Nebenoder
Wechselwirkungen haben können.“

So etwa führt Kamillentee bei rund 10 Prozent aller Europäer zu allergischen Reaktionen. Grüner Tee und Pfefferminze kühlen den Körper, weshalb Menschen, die zu Kälteempfinden und Kraftlosigkeit neigen, damit vorsichtig sein sollten. Lindenblütentee und Brennnesseltee schwemmen Elektrolyte aus dem Körper und fördern so  bei längerer Einnahme Durchfälle und Schwäche. Aloe vera kann in höheren Dosierungen bei Frauen zu starken Regelblutungen führen.

Auch Ärzte und Arztgattinnen unter den Scharlatanen
Bhalla und Wolf kritisieren auch Ärzte, die ohne fundierte alternativmedizinische Ausbildung in diesem Bereich Zusatzleistungen anbieten, oft deshalb, weil Patienten sie privat bezahlen. „Besonders heikel und leider auch verbreitet ist es, dass Ehefrauen von Ärzten den Status ihrer Männer und die vorhandenen Praxisräumlichkeiten nützen, um Patienten fragwürdige alternativmedizinische Leistungen zu verkaufen. Gute Alternativmediziner seien auch daran zu erkennen, dass sie nicht viele  Kurzausbildungen, sondern eine ausführliche, nachvollziehbare Ausbildung absolviert haben und sich in ihrer Tätigkeit auf den dadurch vorgegebenen Rahmen  konzentrieren.“ Eine medizinische Ayurveda-Ausbildung etwa dauere mehrere Jahre.

Die Autoren. Dr. Ashish Bhalla promovierte 2002 zum Doktor der Humanmedizin und eröffnete 2006 eine eigene Praxis. Seit 2010 ist er wissenschaftlicher Leiter am Wiener Standort der Europäischen Akademie für Ayurveda. DDr. Christian F. Wolf, MBA studierte Gesundheits-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und ist seit  1974 in den Bereichen Fitness- und Gesundheitsförderung, Yoga, Meditation und Selbsterfahrung aktiv.

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