Was ist eigentlich Luxus? Die Entwicklung des Verständnisses von Luxus

Antworten von Gerhard Bosse (Kempinski Hotel Das Tirol in Jochberg bei Kitzbühel) – einer der erfahrensten Hoteldirektoren der Kempinski-Gruppe

Luxus ist nicht lebensnotwendig, aber jeder genießt ihn. Die Bedeutung veränderte sich auch: War Luxus früher mit Pracht und verschwenderischer Fülle assoziiert, werden heute damit eher individuelle Werte und ihre Umsetzung verbunden. Ist dieser Wandel in der Hotelbranche spürbar?
In der Welt der 5*plus gibt es sicherlich noch Überbleibsel der alten Luxus-Definition, allerdings spüren wir deutlich den Trend weg vom Materiellen hin zu Erlebnissen. Prestige und Image verlieren definitiv gegenüber der neuen „Stealth Luxury“, also dem sog. Tarnkappen-Luxus, an Bedeutung. Ganz nach dem Motto: Ein schwäbischer Unternehmer hat sein Schwimmbad schon immer in den Keller gebaut. Produkte mit Geschichte, Erfahrungswert, nur für Kenner sichtbare Qualitäten und Insiderwissen stehen heute höher im Kurs als das altbekannte Bling-Bling der Limousine und des Pelzmantels – im Sinne von: Luxus ist, was man reparieren kann. Übertragen auf die Hotellerie sollen heutzutage ein Quiet Room, Slow Food oder eine Fasten-Auszeit das Leben nachhaltig wertiger machen.

Wie reagiert ein Luxus-Hotel auf diese veränderten Bedürfnisse? 
Als internationaler Luxus-Hotelbetreiber sind wir uns bei Kempinski unserer Verantwortung gegenüber der Umwelt bewusst, stellen den ökologischen Fußabdruck in den Mittelpunkt und bemühen uns, den Druck auf die natürlichen Ressourcen in all unseren täglichen Handlungen zu verringern. Und wir adaptieren unser Angebot entsprechend: Statt noch einem Champagner-Dinner gehen wir heute mit unseren Gästen Pilze sammeln oder frühstücken mit ihnen bei Sonnenaufgang auf einem Berggipfel.

Konsum findet weiterhin statt, schließt aber bewusst profundere Überlegungen mit ein. Denn unüberlegter Konsum hat ja leider auch seinen Beitrag zu Umweltschäden, CO2-Emissionen usw. geleistet. Hat der ideelle Luxus den materiellen schon abgelöst? 
Wohl noch nicht ganz. Dieser Prozess wird sich je nach Region in der Welt noch eine Weile hinziehen. Zentral-Europa ist da schon weiter. In Bezug auf Nachhaltigkeit, CO2 und Umwelt arbeitet die Kempinski-Gruppe schon seit 1987 eng mit EarthCheck zusammen. Diese Firma unterstützt Unternehmen, Gemeinden und Regierungen dabei, nachhaltige, saubere, sichere und attraktive Reiseziele zum Besuchen, Leben, Arbeiten und Spielen zu schaffen. Ihr Grundsatz ist: Was gut für den Planeten ist, kann auch gut für das Geschäft sein. Wenn ein Hotel eine EarthCheck-Zertifizierung vorweisen kann, weiß der Gast, dass es einen strengen, wissenschaftlich unterstützten und auf Menschen ausgerichteten Nachhaltigkeits-Zertifizierungsprozess durchlaufen hat. Ich weiß: ein schreckliches Wortgebilde, aber in der Sache richtig und zukunftsweisend. EarthCheck gibt Werkzeuge an die Hand, um Auswirkungen zu messen und Geschäftsentscheidungen zu treffen, die Geld und Ressourcen einsparen sowie den Planeten schonen.

Welche Anstrengungen unternimmt das Kempinski Hotel Das Tirol, um auch der neuen Luxus-Definition zu entsprechen? Wie sieht z.B. nachhaltiger Genuss aus?
Unsere Kundenbindung „Kempinski Discovery“ trifft hier genau den Nerv der Zeit: Exclusive Membership und Experience steht über Besitzen und Zeigen. Für die Generation Z hat der Luxus-Begriff längst nicht mehr die pure Bedeutung eines Statussymbols. Er bezieht sich auf einen Lifestyle, der nicht in Konflikt mit der Natur und/oder der Würde des Menschen steht. Es geht um einen holistischen Ansatz, bei dem Luxus auch bedeutet, positiven Wandel voranzutreiben. Dieser Wechsel in der Luxus-Definition orientiert sich so immer mehr an Normen und Werten. Auf diese Weise bedeutet der Konsum von Luxus nicht nur einen persönlichen Mehrwert, sondern auch Vorteile für den Planeten und die Menschheit. Die von uns verwendeten Produkte kommen von transparenten Partnern, die darauf Wert legen, nachhaltig zu produzieren.

Prestige und Image treten mehr und mehr in den Hintergrund und werden von Qualitätsbewusstsein und Originalität ersetzt. Wie lässt sich das in Ihrem Hotel erleben? 
Ein gutes Beispiel ist unser Trinkwasser. Es gab ja zeitweise einen Trend zu neuseeländischem Gletscherwasser. Wir benutzen aber das Quellwasser aus Jochberg, bereiten es mit einer Grander-Anlage auf und versetzen es lediglich auf Wunsch kurz vor dem Ausschenken mit Kohlensäure. Die Qualität schlägt einige bekannte Mineralwasser um Längen! Ein weiteres Beispiel für eine Gegenbewegung zum traditionellen Luxus-Verständnis ist unsere Kooperation mit dem lokalen Schneider „Frauenschuh“: Wertschätzung ist Zeit! Frauenschuh ist bestrebt, sie der Natur zu geben, die die feinsten Materialien liefert. Und den Menschen, die sie mit ihren Händen bearbeiten. Nur mit Respekt vor Ressourcen kann der ultimative Luxus entstehen: perfekte Funktion, in limitierter Stückzahl. Unsere Partner liegen uns am Herzen. Bei langlebiger Qualität und einer nachhaltigen, traditionellen Arbeitsweise geht Frauenschuh keine Kompromisse ein. Ihr meisterliches Handwerk und Können verdienen den größten Respekt. Daher setzen sie auch auf eine faire Behandlung und Entlohnung aller Menschen auf der Welt.

Wellbeing und Work-Life-Balance sind u.a. neue Luxus-Attribute. Wie trägt das Kempinski Hotel Das Tirol diesen veränderten Ansprüchen Rechnung? 
In erster Linie betreffen diese neuen Werte unsere Mitarbeiter und unsere Beziehung zu diesen. Verstärkt bemerken wir den Trend zu Workation: Hier können Mitarbeiter einer Firma für einen begrenzten Zeitraum von Jochberg aus arbeiten und nach Dienst das attraktive Freizeit-Angebot von Kitzbühel nutzen. Für unsere Mitarbeiter bieten wir flexible Arbeitszeitmodelle an, um hier so attraktiv wie möglich zu bleiben. Wenn jemand nur drei Tage in der Woche arbeiten möchte oder seinen Job im Home-Office erfüllen kann, bemühen wir uns, ihm dieses zu ermöglichen. Weitere Mitarbeiter-Benefits sind der Zugang zum Spa, Gym, attraktive Preise in unseren (und anderen) Restaurants, maßgeschneiderte Weiterbildungsprogramme usw.

Für viele Menschen, die sich vieles leisten können, ist „Ruhe“ der neue Inbegriff von Luxus. Oder mal das Handy für ein paar Tage ruhen zu lassen. Entspricht das auch Ihrer Erfahrung?
Definitiv: Ja. Nachdem schon seit Jahren auch im Flugzeug telefoniert wird, ist einer der wenigen „Ruheräume“ für viele Geschäftsleute gefallen. Ich würde auch deswegen den Begriff „Ruhe“ noch um den Begriff „Platz“ erweitern, der besonders durch die Pandemie wieder an Bedeutung dazugewonnen hat. Gerade in anderen Regionen der Welt leben viele Menschen dichtgedrängt. Ob im Shopping-Center, in den öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Auto im endlosen Stau: Es herrscht immer Platzmangel und Lärm. Hier bei uns in Jochberg kann man diesen Bedingungen entfliehen und spätestens auf einem Berggipfel oder auch schon bei einem privaten Dinner im Hotel die Ruhe und den Platz genießen. Auch eine „private shopping experience“ nach den normalen Öffnungszeiten fällt in diese Kategorie.

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