Marke am Limit – oder schon drüber?
Neue Studie zeigt große Herausforderungen für FMCG-Marken in Österreich, aber auch strategische Chancen
Neue Studie zeigt große Herausforderungen für FMCG-Marken in Österreich, aber auch strategische Chancen
Studie von MARK.SENZE und KANTAR Info Research Austria offenbart: Zwischen Inflationsdruck, Handelsmacht und Eigenmarkenkonkurrenz kämpfen Markenhersteller um Relevanz und Rentabilität – und ringen um einen Weg nach vorne.
Die wichtigsten Fakten auf einen Blick:
Die Lage für Österreichs Markenhersteller spitzt sich zu: Steigende Kosten, eine inflationsbedingt preissensible Konsumentenschaft und die wachsende Dominanz des Handels setzen Markenunternehmen zunehmend unter Druck. Das zeigt die aktuelle Studie „Marke am Limit?“, durchgeführt von MARK.SENZE in Kooperation mit KANTAR Info Research Austria. Befragt wurden Top-Entscheider:innen der heimischen Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Die Ergebnisse der Studie wurden am 21. Mai 2025 von Christoph Zoister und Erich Werndl in Wien der Öffentlichkeit präsentiert.
Konsumverhalten im Wandel – Marken verlieren Differenzierung
Mit einem Verbraucherpreisindex von 127,3 Punkten im März 2025 liegt die Teuerung 27% über dem Basisjahr 2020. Die Teuerung schlägt sich direkt auf das Konsumverhalten nieder, denn 78% der Befragten sehen stark verändertes Kaufverhalten und 65% berichten von hoher bis sehr hoher Preissensibilität Ihrer Konsument:innen. „Marken stehen unter permanentem Rechtfertigungsdruck. Wer sich nur noch über den Preis differenziert, verspielt auf Dauer sein Profil und auch seine Zukunft,“ so Christoph Zoister, Gründer vom Strategie-Institut MARK.SENZE.
Handel: Partner oder Machtfaktor?
48% der Markenhersteller beschreiben die Handelsbeziehung als (sehr) positiv, 20% als schwierig, der Rest sieht es neutral. Doch inhaltlich ist der Tenor klar: 67% sehen den Preisdruck als größte Herausforderung in der Handelspartnerschaft, 59% beklagen die mangelnde Listungsbereitschaft für Innovationen und 57% kämpfen mit dem Eigen-marken-Wettbewerb. „Viele Hersteller erleben den Handel nicht nur als Partner, sondern oft auch als Gatekeeper, der immer mehr fordert,“ erklärt Erich Werndl, Geschäftsführer von KANTAR Info Research Austria.
Eigenmarken auf dem Vormarsch: Marken verlieren Regalfläche
Der Handel gewinnt mit seinen Eigenmarken strukturell an Macht. Bei 40% der Befragten liegen die Eigenmarkenanteile in der jeweiligen Produktkategorie bei über 30% (Umsatz). Besonders hoch ist der Anteil bei Frische, Molkereiprodukten und Grundnahrungsmitteln. Der Druck ist real, denn immerhin berichten 74% der Markenartikler von Regalflächenverlusten an Eigenmarken, bei 40% ist der Verlust sogar mehr als 10%. „Der systemische Gegner sitzt im eigenen Regal, vielleicht oft sogar im eigenen Haus produziert. Eines ist klar, die Eigenmarken werden unser Konsumverhalten weiterhin massiv beeinflussen“, so Zoister. Immerhin sehen 60% der Befragten die Eigenmarke als Bedrohung für das Wachstum ihrer Marke.
Rabatt-Spirale als Risiko: Preisaktionen dominieren das Geschäft
Es dominiert eine zentrale Strategie, um den Eigenmarken die Stirn zu bieten: (Preis-)Aktionen. Rund 50% der befragten Marken haben einen Aktionsanteil gemessen am Gesamtumsatz von über 30%, jede fünfte Marke sogar über 50%. Mehr als jeder Zweite bewertet Aktionen zwar als wirksamer Hebel für Mengensteigerung, aber jeder zweite sieht auch einen langfristigen Verlust des Markenwertes bei erhöhten Aktionsanteilen. Rund 28% berichten, dass Konsument:innen den Aktionspreis bereits als Normalpreis wahrnehmen. Aktionen sind zur wichtigsten Waffe geworden, aber auch zur größten Gefahr. „Aktionen retten kurzfristig Umsatz, aber sie kosten langfristig Vertrauen und Differenzierung. Die „Aktionitis” untergräbt Markenführung, intern wie extern“, betont Werndl.
Kostenexplosion ohne Preismacht: Rentabilität massiv gefährdet
Die wirtschaftliche Basis der Marken steht langfristig auf dem Spiel. 85% geben an, dass die gestiegenen Kosten die Rentabilität ihres Unternehmens (sehr) stark beeinträchtigen. Zwar haben ebenso viele ihre Preise erhöht, aber nur 10% konnten die gestiegenen Kosten auch kompensieren. „Wir sehen ein fatales Bild, denn 90% konnten die Kostensteigerungen durch Preiserhöhungen effektiv nicht decken. Bei jedem Fünften liegt die Kostendeckung sogar unter 50%“, so Zoister. Somit ist klar, die Hersteller haben die Kosten nicht im nötigen Ausmaß an die Konsument:innen weitergegeben, sondern bleiben großteils auf den gestiegenen Kosten sitzen.
Reaktionen der Markenartikler: Zwischen Pragmatismus und Perspektive
Die Studie identifiziert vier dominante strategische Reaktionen auf die veränderten Dynamiken und verschärften Bedingungen in der Lebensmittel- und Getränkebranche:
Viele reagieren pragmatisch und oppertunistisch, aber nicht immer zukunftsfähig. „Die Marken, die jetzt in Differenzierung, Konsumentenrelevanz und strategische Führung investieren, werden klar als Gewinner aus der Krise hervorgehen“, so Werndl.
Trotz allem: Zuversicht und Optimismus
Besonders ermutigend ist es, dass die Entscheider:innen selbst erstaunlich optimistisch nach vorne blicken. 39% der Befragten schätzen die Wachstumsaussichten der eigenen Marke in den kommenden Jahren als (sehr) positiv ein. Weitere 41% bewerten die Aussichten als neutral, lediglich 20% als pessimistisch.
Das Fazit: Marke am Limit? Vielleicht. Aber sicher auch: Marke im Wandel.
Über die Ergebnispräsentation
Die Ergebnisse wurden am 21. Mai 2025 in Wien von Christoph Zoister und Erich Werndl, im Rahmen eines exklusiven Branchenevents mit Stakeholdern aus Industrie und Medien, der Öffentlichkeit präsentiert.
In einer anschließenden Podiumsdiskussion wurden die Spannungsfelder und Lösungsansätze weiter vertieft, mit zwei prominenten Stimmen aus der Branche: Klaudia Kopeinig (Leitung B2C-Vertrieb, GoodMills Österreich) und Jürgen Brettschneider (Geschäftsführer, Mautner Markhof).