Kraft der Rebe

Marietta und Robert Keringer

– aus dem PROST Magazin vom Dezember 2025 – Text: Peter Eder

Während halb Europa leichte, alkoholarme Weine zu neuen Idealen erhebt, bleibt dieser Betrieb unbeirrbar seiner Linie treu – und das ist gut so: Robert und Marietta Keringer aus Mönchhof. Sie sind überzeugt: Reife ist nicht das Problem – Reife ist der Sinn. Was heute gern als „zu viel“ gedeutet wird, ist in Wahrheit das, woraus gehaltvolle, charakterstarke Rotweine entstehen: volle physiologische Reife, dichte Aromatik, Extrakt, Struktur. Genau jene Eigenschaften also, die seit Jahrhunderten Rotwein definieren.

Keringer benennt klar, was viele nur hinter vorgehaltener Hand sagen: Das aktuelle Misstrauen gegenüber kräftigen Rotweinen ist kein Trend, sondern eine allgemeine Verunsicherung – die sich zur selbsterfüllende Prophezeiung entwickelt. „Es wäre schade, das Potenzial unserer Umwelt nicht zu nützen“, sagt er. „Wenn man bewusst früher erntet, nur um ein paar Prozent Alkohol zu sparen, verliert der Wein an Tiefe. Man nimmt ihm Teile seine Identität.“ Und tatsächlich: Im Weingut Keringer zeigt sich eine deutliche Gegenbewegung. Nach zähen Monaten steigen die Absätze der kräftigen Weine seit Sommer wieder zweistellig. In der Gastronomie – besonders in den Top-Häusern – greifen Gäste wieder zu Weinen mit Volumen, Charakter und Länge.

Dass ausgerechnet Österreichs erfolgreichste Rotweinregion plötzlich glauben soll, sich für ihre Stärken entschuldigen zu müssen, hält Keringer für falsch. Die Natur im Seewinkel liefert Warmklima, Reife, Konzentration – und damit Voraussetzungen, um die uns andere Regionen beneiden. „Wir sind gesegnet“, sagt er schlicht. „Warum sollten wir das wegdiskutieren?“ Die Behauptung, kräftige Weine seien „nicht mehr zeitgemäß“, hält er für eine Modeerscheinung, die an der Realität vorbeigeht. „Die Leute wollen wieder Substanz im Glas.“

Dass Alkoholgehalt kein Qualitätskriterium ist, sondern eine Frage der Balance, wird oft vergessen. 14,5 Prozent können plump wirken – oder elegant im Gleichgewicht wenig spürbar. Entscheidend ist die Harmonie des Gesamtwerks. Und genau hier liegen die Stärken der Keringer-Weine: intensive Aromatik, weiches Tannin, Fülle ohne Schwere, Kraft ohne Härte. Weine, die ihre Herkunft nicht verstecken, sondern ausspielen. Weine, die Menschen emotional binden, weil sie berühren.

Keringer sieht die Diskussion um alkoholhaltige Getränke in seinem Fall nicht als Wein-, sondern als Kulturfrage. „Wein gehört seit Jahrtausenden zur europäischen Lebensform“, sagt er. „Er stiftet Gemeinschaft, Freude, Lebensqualität. Dass plötzlich jedes Glas als Gefahr dargestellt wird, stimmt einfach nicht mit der Lebensrealität der Menschen zusammen.“ So vernünftig man mit alkoholhaltigen Getränken umgehen soll, so vernünftig sollte man darüber diskutieren – nicht trotzig, sondern sachlich. Dabei darf man nicht vergessen: Wein ist ein Kulturgut, kein z.B. Pharmaprodukt, das nach Risikoindikatoren bewertet werden muss.

Das Erfolgsmodell des Weinguts ist das Gegenteil von Marketing-Illusion: harte Arbeit, Konsequenz und volle Präsenz. Aus fünf Hektar wurden hundert – durch jahrzehntelange Arbeit im Weingarten und dann auf Märkten oder Verkostungen. Über 70 Veranstaltungen im Jahr, sieben Tage Arbeit, nächtliche Heimfahrten, kein Sicherheitsnetz. Die Qualität des Weins und die Hartnäckigkeit des Winzerpaares haben die Marke Keringer aufgebaut – nicht Trends, nicht Design, nicht politische Stimmung. „Qualität schafft Erlebnis“, sagt Keringer. Die Keringers leben genau diesen Satz. Und wir können, mithilfe ihrer Weine und ihrer Qualität, am Erlebnis damit wachsen.

„Wein gehört seit Jahrtausenden zur europäischen Lebensform. Er stiftet Gemeinschaft, Freude, Lebensqualität. Dass plötzlich jedes Glas als Gefahr dargestellt wird, stimmt einfach nicht mit der Lebensrealität der Menschen zusammen.“ – Robert Keringer

Heute gehört Keringer zu Österreichs beständigsten Rotweinproduzenten: unzählige Titel, Landessiege, Best-of-Show-Auszeichnungen, internationale Ratings. Dreizehnmal „Bester Produzent Österreichs“ in Berlin – eine Kategorie, die das ganze Sortiment bewertet, nicht nur einzelne Prestigeweine. Damit ist Keringer nicht nur im Handel, sondern vor allem in der Gastronomie ein Fixpunkt. Kein selektiver Hype, sondern breite, stabile Anerkennung.

Robert und Marietta Keringer bleiben bei all dem ruhig – nicht laut, nicht radikal, sondern konsequent. Sie sind Winzer, die wissen, was sie können, und die sich nicht einschüchtern lassen. Sie verstehen, dass Trends kommen und gehen, aber Herkunft und Charakter bleiben. Wer wissen will, was burgenländischer Rotwein kann, kommt an Keringer nicht vorbei.

Die Weine

Robert und Marietta Keringer „punkten“ nicht so sehr, wie sie wirken. Die beiden verstehen es, den Seewinkel ohne Illusionen, mit Haltung, anstatt Technik in Flaschen zu füllen. Ihre Weine tragen Tiefe statt Wucht, Ruhe statt Effekthascherei. Sie funktionieren nicht als schnelle Bestätigung, sondern als Resonanzraum: klar, verlässlich, ehrlich – schwingt man sich mit ihnen ein. Der Zweigelt zeigt das am deutlichsten – dunkel im ersten Eindruck, dann warm und wohltuend, mit echtem Rückgrat. Die Cuvées bündeln Energie kontrolliert, nie chaotisch. Die „100 Days“-Weine stehen für Geduld und Reife, sie besänftigen, weil alles Ungute des Tages plötzlich gleichgültig ist. Keringer-Weine sind eine Gegenbewegung zur Geschwindigkeit der Welt. Sie geben Orientierung, Erdung, Verbindung. Charakter statt Produkt. Ehrlichkeit, die berührt.